Hallo Leute!
Seit ich meinen quattro besitze beschäftige ich mich mit dem Thema, wie mit dem quattro-Antrieb, der in unseren Fahrzeugen verbaut ist, korrekt umzugehen ist. Wann welche Sperre benutzt werden sollte, welche Effekte das hat, welche Technik dahintersteckt und wie man mit dem Antrieb an sich umzugehen hat.
Als Quelle für meine Weiterbildung diente mir bisher die Bedienungsanleitung, Wikipedia sowie diese Seite.
Mein Grundverständnis:
Ein nicht gesperrtes Differential ermöglicht einen Drehzahl- und Drehmomentausgleich zwischen den zwei angeflanschten Abtriebsachsen.
Nehmen wir also beispielsweise das nicht gesperrte Hinterachsdifferential im normalen Fahrbetrieb: Auf beide Räder werden jeweils 50% des ankommenden Drehmoments verteilt.
Kommt es in dieser Konstellation (ungesperrtes Differential) an einem der beiden Räder zum Durchdrehen (bspw. durch Glatteis am Straßenrand), so kommt man nichtmehr vom Fleck, weil sich das nicht auf Glatteis befindliche Rad nichtmehr dreht, da das ungesperrte Differential das komplette Drehmoment an das durchdrehende Rad abgibt.
Um dieser unglücklichen Situation entgegenzuwirken, kommt die Differentialsperre ins Spiel.
Identisches Problem, nur diesmal mit gesperrtem Differential: Durch die Sperre wird das Differential am Drehzahl- und Drehmomentausgleich gehindert, d.h. es werden IMMER 50% auf jedes Rad übertragen. Kommt es nun zum Durchdrehen eines Rades, kommt man immer noch vorwärts, da immer noch 50% des Drehmoments durch das Rad, welches noch Grip hat, übertragen werden können.
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Übertragen wir diese Überlegungen nun auf unser System: drei Differentiale, davon zwei an den Achsen und ein Zentraldifferential. Zentraldifferential und Hinterachsdifferential 100% sperrbar.
a) keine Sperren eingelegt: Drehzahlausgleich an und zwischen den Achsen möglich.
=> bereits wenn ein Rad durchdreht, müsste es meiner Ansicht nach keinen Vortrieb mehr geben, da an dieser Achse das komplette Drehmoment auf dieses Rad übertragen wird und insgesamt dann das komplette Drehmoment auf diese Achse geht (Zentraldiff versucht Drehmomentausgleich)
b) Mitteldifferentialsperre eingelegt: Drehzahlausgleich zwischen den Achsen nichtmehr möglich, 50% an HA, 50% an VA, Ausgleich zwischen den Rädern der jeweiligen Achse aber weiterhin möglich
=> dreht vorn oder hinten ein Rad durch, wird durch diese Achse kein Drehmoment mehr übertragen, durch die jeweils andere aber immer noch, solange wie dort keines der beiden Räder durchdreht. Man braucht also für einen Stillstand mindestens zwei durchdrehende Räder, jeweils eins an jeder Achse.
c) beide Differentialsperren eingelegt: kein Drehzahlausgleich zwischen den Achsen mehr möglich, ebenso nicht an der HA
=> dreht ein Rad der HA durch, übernimmt das andere, die VA ist davon unbeeindruckt und kann weiterhin Kraft übertragen. Dreht das zweite Rad an der HA durch, interessiert das die VA immer noch nicht, da sie durch die Sperre immer noch Kraft übertragen kann. Erst wenn an der VA auch noch ein Rad durchdreht, bleibt das andere stehen, da unsere Fahrzeuge über keine Sperre am Vorderachsdifferential verfügen. Für einen kompletten Stillstand müssen also drei Räder, zwei hinten und eins vorn, durchdrehen.
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Sind diese Überlegungen grundsätzlich richtig?
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Da ich weder die Strecke, noch ausreichend Leistungsüberschuß und auch nicht unbedingt den Willen dazu habe, solche Sachen mit meinem Fahrzeug im Winter zu testen, ergab sich für mich nur eine Gelegenheit bei einem Fahrsicherheitstraining auf dem nicht weit entfernten Sachsenring. Dem einen oder anderen vielleicht durch Motorradrennen bekannt.
Jedenfalls haben wir dort auch ein Kreisfläche mit Gleitbelag befahren, die noch dazu bewässert war. Damals hatte ich mich leider noch nicht genau belesen, wann man welche Sperre benutzen sollte, ich wusste nur, dass im Handbuch steht, bei sportlicher Fahrweise, Glätte, Nässe usw. die erste Sperre einlegen. Zweite nur, wenn man sich schon festgefahren hat. Also habe ich diesen Fahrtest auch mit eingelegter Mittelsperre absolviert.
Wer so etwas schonmal gemacht hat, weiß, dass dort ausdrücklich erwüscht ist, dass das Fahrzeug in jedwede Richtung rutscht. Je nach Antriebskonzept also Über- oder Untersteuern. Somit hatte ich mir Chancen ausgemalt, mit manuell sperrbarem Zentraldifferential höhere Geschwindigkeiten erzielen zu können und trotzdem das Fahrzeug noch um die Kurve zu bekommen.
Mein subjektiver Eindruck war jedoch ein anderer: Ich bilde mir ein, nicht großartig schneller gewesen zu sein, wie die anderen (alles Frontis) und gleichzeitig ist mehrmals das Heck ausgebrochen und ich hatte zu tun, es jedes Mal wieder einzufangen. Deutlich zu vernehmen waren "Arbeits"-Geräusche aus der Zentraldiff-Gegend, was mir aber grundsätzlich erstmal nicht komisch vorkam. Bin schließlich noch nie wirklich mit gesperrtem Mitteldiff gefahren.
Nun meine Fragestellung:
Nützt einem auf solchem Untergrund der Allrad-Antrieb und die sperrbarem Differentiale überhaupt etwas? Theoretischerweise rutschen ja alle vier Räder ab einer gewissen Geschwindigkeit (und damit einhergehend einer gewissen Querbeschleunigung) weg, egal, ob angetrieben oder nicht.
Hat also das gesperrte Mitteldiff überhaupt etwas gebracht oder habe ich sogar etwas falsch gemacht und die Geräusche waren Anklage- und Flehrufe in meine Richtung?
Oder hätte noch zusätzlich das gesperrte Heckdiff etwas gebracht?
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Ich würde mich über jeden Beitrag freuen, der mir (und vllt. auch anderen) hilft, die ganze Materie weiter und besser zu verstehen. Learning-by-doing ist zwar immer von Vorteil, aber das funktioniert beim Schrauben eindeutig besser als im Straßenverkehr. Noch dazu ist die Verlustquote geringer. Auch Trial-and-Error ist an dieser Stelle kaum anzuwenden.
Auf eine angenehme und konstruktive Diskussion!
MfG Manuel